
Mit Leonard geht es aufwärts
Noch ist das sieben Wochen alte Baby Patient der Kinderintensivstation – doch bald darf es nach Hause. Eine große Herz-OP hat der Kleine überraschend gut überstanden.
von Kirsten Strasser
OPPENHEIM – Ende November sahen wir Leonard zum ersten Mal. Er lag, winzig und fast reglos, auf dem Bauch seiner Mutter; der Junge hatte gerade eine erste Operation hinter sich. Vierzehn Tage zuvor war Leonard drei Wochen zu früh und viel zu leicht zur Welt gekommen, mit einem Herzfehler und Fehlbildungen der Aorta und der Lungenschlagader. Ohne Behandlung hätte das Baby kaum eine Überlebenschance gehabt.
Doch kurz vor Ende der Schwangerschaft war die Fehlbildung entdeckt worden, Gott sei Dank. Denn so stand bei der Geburt bereits der Kinderherzspezialist parat: Prof. Dr. Christoph Kampmann überwachte Leonards Zustand von dessen erster Lebensminute an. Was dem Kardiologen und dem Team der Kinderintensivstation besonders zu schaffen machte: Leonard war zu klein und zu leicht für die lebensrettenden Operationen. Herz und Blutgefäße sind schon bei einem „normalen“ Neugeborenen winzig; bei Leonard, der ein Geburtsgewicht von 2150 Gramm hatte, waren sie noch kleiner.
Kampmann wartete, bis das Baby ein paar hundert Gramm zugelegt hatte, dann nahm er im gerade wiedereröffneten Kinder-Herzkatheterlabor der Mainzer Uniklinik einen lebensrettenden ersten Eingriff an Leonards Herzchen vor. Dieser sollte dem kleinen Patienten genügend Zeit verschaffen, so viel an Größe und Gewicht zuzulegen, um die „große“ Operation, die Spezialisten in Heidelberg vornehmen würden, zu überstehen.
Dieses Baby soll dasselbe sein wie jenes vor fünf Wochen?
Zeitsprung: Mittlerweile ist es Anfang Januar, in einem Bettchen auf der Kinderintensivstation liegt Leonard – und lächelt. Er ist immer noch zart, wiegt immer noch unter 3000 Gramm, und doch: Es ist schier unglaublich, dass dieses muntere Kerlchen mit den Kulleraugen, das gerade seine Hand nach dem Finger der Krankenschwester ausstreckt, dasselbe Baby sein soll wie das Würmchen von vor wenigen Wochen. Alle Kabel, alle Schläuche sind weg, auch die Magensonde ist unnötig geworden – Leonard trinkt mittlerweile selbständig und ist auf dem besten Wege, ein gesundes Kind zu werden.
In den fünf Wochen zwischen dem ersten und zweiten Treffen ist viel passiert: Leonard wurde in Heidelberg operiert, die Fehlbildungen der Schlagadern sind korrigiert. Zwei Wochen ist der mehrstündige Eingriff jetzt her. „Der Tag der OP – das war der schlimmste Tag meines Lebens“, sagt Leonards Mutter Nadine Küstner, doch sie strahlt dabei – die Angst, dass etwas schiefgehen, dass Leonard aus der Narkose nicht mehr aufwachen könnte, hat sich als unbegründet erwiesen.
Nicht nur die Aorta und die Lungenschlagader mussten bei Leonard versetzt und sozusagen an ihren richtigen Platz gebracht werden, sondern auch die winzigen Herzkranzgefäße. Dazu wurde Leonards Herz vorübergehend zum Stillstand gebracht, eine Herz-Lungen-Maschine sicherte in dieser Zeit das Überleben des Säuglings. Es waren harte Stunden des Wartens, für die Eltern wie für das Mediziner- und Pflegeteam in Mainz, bis die erlösende Nachricht von dem Heidelberger Spezialisten kam, der Leonard operiert hatte: alles gut gelaufen.
Sobald der Winzling wieder transportfähig war, wurde er zurück nach Mainz verlegt, kam wieder auf die Kinderintensivstation – und bescherte den Mitarbeitern einen schönen Start ins neue Jahr. „Wenn man sieht, dass sich ein Kind dermaßen gut entwickelt, ist das natürlich eine Sternstunde“, gerät Prof. Dr. Stephan Gehring ins Schwärmen. Und auch seine Kollegin Dr. Claudia Martin ist voll des Lobes für den kleinen Vorzeigepatienten: „Es ist wirklich fast unglaublich, wie er sich gemacht hat.“ Vor allem, weil die Zeit nach seiner Geburt mehr als hart gewesen sei, daraus macht die Medizinerin keinen Hehl: „Sie war furchtbar.“ So kritisch war Leonards Zustand immer wieder.
Vergessen und vorbei. Weitere Operationen werden höchstwahrscheinlich nicht nötig sein, „er kann ganz normal heranwachsen, alles tun, was er will, jeden Sport treiben“, sagt Claudia Martin. Und Leonards Mutter, die die letzten Wochen „als ständige Aufs und Abs“ erlebt hat, hört fast selig lächelnd zu. Weihnachten, Silvester, Neujahr, diese Tage sind an ihr vorbeigerauscht, nichts zählte außer der Sorge ums Kind. Jetzt erst dringt, langsam, ins Bewusstsein: Alle Zeichen stehen so, dass 2019 ein gutes Jahr wird. Leonard darf sich jetzt auf der Kinderintensivstation noch etwas erholen und päppeln lassen – dann geht’s endlich, endlich ab nach Hause.