
Leser helfen: Krankenpfleger wie Hannah Schöttl aus Mainz haben weiter mit Vorurteilen zu kämpfen – trotz hoher Verantwortung.
Leser helfen: Krankenpflegerinnen wie Hannah Schöttl aus Mainz haben weiter mit Vorurteilen zu kämpfen – trotz hoher Verantwortung.
Von Leonie Peschke
MAINZ – Für Hannah Schöttl stand schon früh fest, dass sie mal etwas mit Kindern machen möchte, wenn sie fertig mit der Schule ist. Eigentlich wollte sie Kinderpsychologin werden. Aber wie es der Zufall wollte, führte sie ihr Weg doch woanders hin. An einen Ort, an dem sie heute mehr als glücklich ist: auf die Kinderintensivstation – als Kinderkrankenpflegerin.
Zusammenspiel aus Medizin und Kontakt mit Kindern
„Nach dem Abi wollte ich erst mal etwas praktische Erfahrung sammeln“, sagt Hannah Schöttl. Die heute 22-Jährige entschied sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Kinderklinik und wurde der Kinderonkologie zugeteilt. „Damals konnte ich mir überhaupt nichts unter dem Begriff Krankenpflege vorstellen.“ Aber schon bald war klar: Hannah Schöttl würde nicht Psychologie studieren, sondern eine Ausbildung zur Kinderkrankenpflegerin machen. 2014 ging es los, seit Oktober dieses Jahres ist Hannah fertig. Die Ausbildung war hart, „aber ich habe es nie bereut“, sagt sie.
Für Hannah Schöttl ist es die Kombination, das Zusammenspiel aus der Medizin und dem Kontakt mit den Kindern und deren Eltern, was den Job für sie besonders spannend macht. Es erfüllt sie jeden Tag aufs Neue, zu sehen, wie die Kinder Fortschritte machen. „Den Kindern, die hierher kommen, geht es ziemlich schlecht“, sagt sie. Es sei ein unbeschreibliches Gefühl, ihnen helfen zu können. „Ich begleite diese Kinder in ihrer schweren Phase.“
Dass Hannah sich ausgerechnet für die Kinderintensiv- und nicht für eine andere Station entschieden hat, hat zweierlei Gründe. „Die Arbeit hier ist sehr vielfältig“, sagt Hannah. Alle anderen Stationen decken einen bestimmten Fachbereich ab, auf der Kinderintensivstation sind die Krankheitsbilder ganz unterschiedlich. Außerdem ist die Betreuung der einzelnen Kinder wesentlich intensiver. „Eine Schwester ist hier für nur zwei Kinder zuständig“, erklärt Hannah. Auf allen anderen Stationen sei es normal, dass ein Pfleger für fünf bis zehn Kinder gleichzeitig sorgen muss. „So bleibt mir viel mehr Zeit, die Kinder und ihre Familien kennenzulernen, und ich kann mich ganz auf sie konzentrieren“, sagt Hannah.
Das macht die 22-Jährige jeden Tag zufrieden, wenn sie nach ihrer Schicht nach Hause geht. Zu Hause – das ist für Hannah zum Glück nicht weit weg von der Kinderklinik. Seit ein paar Wochen wohnt sie im Kikam-Haus, das der Förderverein für das Pflegepersonal ermöglicht hat. „Wir haben das Haus umgebaut und vermieten die Wohnungen an unsere Pfleger – zum niedrigsten ortsüblichen Mietzins“, sagt Ralf Huth, Oberarzt der Kinderintensivstation. „Das ist Ausdruck meiner Wertschätzung gegenüber den Kollegen“, betont Huth.
Der Oberarzt kümmert sich gut um die Pfleger, er weiß, dass der Laden ohne die Schwestern nicht laufen würde. „Das alles ist eine komplexe Teamleistung, das Gesamtprojekt muss stimmen“, betont Huth. Dass das auf der Kinderintensivstation funktioniert, merken auch Hannah und ihre Kolleginnen. „Gerade auf der Kinderintensivstation muss die Kommunikation zwischen Ärzten und Schwestern klappen“, weiß Hannah. „Die Ärzte wissen unsere Kompetenz dabei stets zu schätzen.“ Für Hannah ist das wichtig, weil sie noch immer häufig mit Vorurteilen zu kämpfen hat. „Das Ansehen des Berufs ist in der Gesellschaft gesunken“, meint die Kinderkrankenschwester. „Viele denken immer noch, wir Krankenschwestern seien zum Poabwischen da.“ Auch in ihrem Bekanntenkreis hört sie das wieder und wieder. „Ich versuche dann immer, zu erklären, was ich in meinem Job eigentlich mache. Dass es ein toller Job ist“, sagt Hannah. Doch gerade wegen dieser Vorurteile wollen immer weniger Menschen einen Pflegeberuf erlernen. Die Kinderintensivstation ist von diesem Personalmangel nicht ausgeschlossen – eine Station musste deshalb sogar schließen.
Doch es geht bergauf: „Wir stocken jetzt nach und nach das Personal wieder auf“, sagt Ralf Huth. Schon kommende Woche soll die zweite Station neu eröffnen. Auch das lässt Schwester Hannah positiv in die Zukunft blicken. Und ein bisschen Psychologie ist sicherlich auch in ihrem Job dabei, so viel Herzblut wie sie täglich in die Arbeit mit „ihren Kindern“, wie sie sie nennt, und deren Familien steckt.
Quelle: Allgemeine Zeitung