
Hilfe für einen kleinen Kämpfer
Das kleine Holzauto liegt noch verpackt unterm Christbaum, ebenso wie das Nachtlicht, das an die Decke des Kinderzimmers Sterne zaubern soll. Anton, für den diese Geschenke bestimmt sind, konnte sie noch nicht auspacken. Weihnachten verbrachte er auf der Kinderintensivstation – wie mehrere weitere kleine Patienten, die auch mit schweren Atemwegserkrankungen eingeliefert worden waren. Was bei Anton erschwerend hinzukommt: Der kleine Junge hat einen Herzfehler. „Damit braucht er einfach länger, bis er sich erholt“, sagt Oberarzt Ralf Huth, der das Kind gut kennt. Denn seit er vor gut einem Jahr auf die Welt kam, musste Anton immer wieder für Wochen oder gar Monate auf der Kinderintensivstation aufgenommen werden. Doch jetzt sind sowohl Ärzte als auch Eltern zuversichtlich – wenn die heftige Bronchitis auskuriert ist, wird Anton gut in ein neues Jahr starten.
Silvester, davon gehen die behandelnden Kinderärzte derzeit aus, wird der Kleine im Gegensatz zu Heiligabend zu Hause feiern können, mit seinen Eltern und der großen Schwester. Die verspäteten Weihnachtsgeschenke wird er dann ausgepackt haben. Was seine Mutter ihm wünscht fürs kommende Jahr? Gesundheit vor allem, natürlich – dass er nicht wieder mit einem Infekt ins Krankenhaus muss, dass sein Herz weiterhin so gut schlägt wie derzeit. Und dann kommt auf Anton in 2019 ja noch Aufregendes zu: Er hat einen Platz in einer Krippe in Mainz bekommen, einer integrativen Einrichtung, in der Kinder mit und ohne Behinderungen aufgenommen werden.
Ein viel geliebtes Kind, das seinen Weg machen soll
Anton ist ein Kind mit Trisomie 21. Er ist klein für seine 14 Monate, kann noch nicht krabbeln, nicht alleine sitzen, seine Entwicklung ist verzögert. Wie viel davon auf seine Behinderung zurückzuführen ist, wie viel auf die langen Krankenhausaufenthalte, ist unklar. Und auch letztlich nicht von Belang. Wichtig ist nur: Anton ist ein viel geliebtes Kind, das seinen Weg machen soll.
Doch der Start war schwer. Anton kam nicht nur mit einem Herzfehler zur Welt, sondern auch zu früh – bei seiner Geburt wog er keine 2000 Gramm. Anton „nur als behinderten kleinen Jungen“ zu bezeichnen, werde ihm, werde seiner Leistung nicht gerecht, sagt seine Mutter Katharina C. „Leute, die so über ihn reden, haben keine Ahnung.“ Anton hat sich trotz aller Widrigkeiten ins Leben gekämpft, zwei Herzoperationen, viele Infekte überstanden. „Wenn er nicht diesen großen Überlebenswillen hätte, hätte er das alles wohl nicht geschafft“, sagt Katharina C. Und bei alldem sei Anton ein sonniges, ausgeglichenes, ja gelassenes Kind geblieben.
Antons Eltern wussten vor seiner Geburt, dass ihr Sohn mit Trisomie 21 auf die Welt kommen würde. Eine schwer verdauliche Nachricht war das, daraus macht Katharina C. keinen Hehl. „So etwas sucht sich niemand aus.“ Viele Eltern bekommen „so ein Kind“ nicht; rund 90 Prozent aller ungeborenen Kinder, bei denen ein Downsyndrom diagnostiziert wird, werden abgetrieben, manche in einem späten Stadium der Schwangerschaft.
Anmeldung in der Krippe ist der erste Schritt
Doch Anton sollte leben. „Nichts anderes kam für uns in Frage, er ist ein absolutes Wunschkind“, sagt seine Mutter, drückt ihn an sich und kitzelt ihn sachte hinterm Ohr: „Du bist mein Schatz.“
Wie es mit ihm weitergehen wird? Ein möglichst selbstbestimmtes Leben soll Anton einmal führen, möglichst „normal“ eben, seine Anmeldung in der Krippe ist der erste Schritt. „Gut ist, dass er nichts muss“, sagt Katharina C., „kein Abi machen, kein Studium schaffen.“ Das nimmt Druck raus. „Aber wir wünschen uns natürlich, dass er später mal was findet, das ihm Spaß macht und das er auch tun kann.“ Zunächst soll er aber einfach größer werden, aufwachsen, Kind sein dürfen. „Er profitiert enorm davon, mit anderen Kindern zu spielen, schaut sich vieles ab“, erzählt seine Mutter. Nicht zuletzt von der großen Schwester, die sehr stolz auf ihren Bruder ist und ein feines Gespür für seine Bedürfnisse hat. „Die beiden sind sehr eng.“
Und natürlich hat Anton seiner Schwester, seinen Eltern gefehlt in den Tagen, die er wieder mal in der Klinik verbringen musste. Immerhin: Seine Mutter und sein Vater wussten und wissen ihn gut aufgehoben bei den Ärzten, Pflegern und Schwestern. Für Oberarzt Ralf Huth sind kleine Patienten wie Anton etwas ganz Besonderes. Natürlich seien Kinder mit Trisomie 21 ganz unterschiedliche Persönlichkeiten, sagt er. „Aber tendenziell sehr freundlich, sehr offen, sehr direkt.“ Viele behandelt er über viele Jahre hinweg, eben weil das Down-Syndrom häufig mit Herzfehlern einhergeht. Und er kann Eltern Mut machen: Etliche Patienten mit Trisomie 21 hat er zu patenten Persönlichkeiten heranreifen sehen. „Die gehen ihren Weg, werden selbstständig.“ Auch, weil sie dank der medizinischen Möglichkeiten heute die Chance dazu haben.
Quelle: Allgemeine Zeitung