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Aus Kindern werden Schutzengel: Unterricht in Wiederbelebung mit KIKAM

Reanimation statt Mathe und Diktat: Das Team der Kinderintensivstation Mainz hat 130 Grundschüler in Erster Hilfe geschult. Mit Musik und guter Laune war das fast ein Kinderspiel.

Von Kirsten Strasser

OPPENHEIM/MAINZ – Sag noch mal einer, mit Helene Fischer könne man nichts anfangen. „A-tem-los durch die Nacht….“ dröhnt Helenes Stimme aus dem Lautsprecher, und sofort fangen Dutzende angehende Schutzengel an, im Takt des Songs auf Brustkörbe von Puppen zu drücken. „Helene Fischer eignet sich bestens zur Reanimation“, grinst Oberarzt Ralf Huth. „Übrigens ebenso wie die kleine Biene Maja von Karel Gott. Oder der Radetzky-Marsch.“

Bienensongs, Schlager und Märsche – die Grundschüler der Martinusschule Weißliliengasse probieren alles aus. Schließlich kommt es auf den richtigen Rhythmus an! Nicht zu langsam, aber auch nicht zu schnell darf so eine Herzdruckmassage ausgeführt werden. „Wichtig ist aber, dass man sich überhaupt traut und was tut“, weiß ein kleiner Schlaumeier. Recht hat er. Und: Reanimation, also Wiederbelebung, kann jeder lernen. Schon ein kleiner Grundschüler.

Das ist auch das Credo von Ralf Huth und seinem Team. Einen ganzen Vormittag verbringen ein halbes Dutzend Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger der Kinderintensivstation Mainz in der Schule, um den 130 Grundschülern beizubringen, wie wirkungsvolle Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt werden müssen. „Werde zum Schutzengel!“ heißt das Projekt, und der Unterricht der besonderen Art, der den Jungen und Mädchen einen Riesenspaß macht, ist auch ein Dankeschön. Denn die Grundschüler hatten zugunsten von Kikam, dem Förderverein der Kinderintensivstation, einen Spendenlauf veranstaltet – und dabei unglaubliche 10 754 Euro eingenommen. „Ich bin stolz auf meine Schüler“, sagt eine strahlende Rektorin – Tanja Walther hat auch allen Grund dazu.

Normalerweise ist es Job der Ärzte und Pfleger, die mit schwersten Krankheiten oder Verletzungen auf der Kinderintensivstation eingeliefert werden, zu helfen. Doch sie wissen auch: Manchmal brauchen sie selbst Hilfe – Hilfe von Schutzengeln, die noch schneller zur Stelle sind, wenn jemand Hilfe braucht. Es gibt da einen ganz konkreten Fall, den Ralf Huth immer wieder erzählt: In einem Mainzer Gymnasium kippte, ganz plötzlich, ein Mädchen um. Herzstillstand, sein Leben hing am seidenen Faden. Es waren Mitschüler, die zu Schulsanitätern ausgebildet waren, die sofort eingriffen und mit der Herzdruckmassage begannen, bis die Rettungskräfte eintrafen. „Gloria lebt und geht wieder zur Schule – dank ihrer Mitschüler“, erzählt Ralf Huth den Martinusschülern.

Voll motiviert stürzen sie sich ins Training. Das Kikam-Team von der Kinderintensivstation hat Übungspuppen mitgebracht, an denen die Jungen und Mädchen die Wiederbelebung üben, es gibt sogar eine kleine „Rallye“. Eine der Klassenlehrerinnen, Isabell Linderman, freut sich für ihre Schüler: „Sogar die Schüchternen trauen sich und machen voll mit.“

Die Kinder hören gebannt zu, als ihnen Ralf Huth erklärt, wie ein „Laien-Defibrillator“ – solche Geräte stehen zum Beispiel in Bahnhöfen oder Sportstätten zur Verfügung – bei erwachsenen Patienten angewendet wird. „Vielleicht braucht ja mal euer Vater Hilfe, oder ein Lehrer“, sagt der Oberarzt.
Irene, neun Jahre alt, ist mit dem Schutzengel-Programm sehr zufrieden. „Erste Hilfe kann ich schon, ich bin Pfadfinderin“, erklärt das Mädchen, „aber es ist eine gute Übung für mich, weil ich mal Sängerin oder Ärztin werden will.“ Dann marschiert Irene mit ihren Mitschülerinnen auf den Schulhof, um den Kinder-Notarztwagen, der dort ausgestellt ist, in Augenschein zu nehmen.

Kinder für Erste Hilfe zu begeistern, ihnen die Angst vorm Handeln zu nehmen, das ist ein großes Anliegen des Kikam-Teams. „Am besten, ihr übt das immer wieder“, gibt Ralf Huth den Jungen und Mädchen mit auf den Weg. Der Anfang ist auf jeden Fall gemacht. „Es hat sehr viel Spaß gemacht“, sagt Paula. „Und es ist ja immer wichtig, anderen helfen zu können.“

Das haben die Kinder schon mit ihrem Spendenlauf für Kikam getan – der Förderverein finanziert mit Spenden unter anderem die Anschaffung medizinischer Geräte für die Kinderintensivstation. Auch die AZ unterstützt die gute Sache mit ihrer Weihnachtsaktion „Leser helfen“ – jeder Euro zählt, damit kranke Kinder die bestmögliche Behandlung erfahren können.